Bitte beachten Sie, dass ich für die folgenden Inhalte nur in Zusammenhang mit         der Inanspruchnahme einer Beratung oder der Übernahme eines Mandates zur  Vertretung Ihrer Interessen hafte (siehr zur Berufshaftpflicht im Impressum!).

Die Leitsätze entsprechen entweder der amtlichen Fassung durch das jeweilige Gericht oder im Einzelfall der Wiedergabe in der Fachliteratur. Die zusätzlichen Anmerkungen von mir enthalten wichtige Hinweise allgemeiner Art, die über den   Inhalt der Entscheidung auch hinausgehen können, oder geben den Inhalt der Entscheidung nach meiner Auffassung wieder.  

Arbeitsrecht:

BAG Urteil vom 17.05.2011 (9 AZR 189/10) Urlaub, Urlaubsjahr, Freistellung

Leitsätze:

1. Bei einer jahresübergreifenden Kündigungsfrist kann der Arbeitgeber die Freistellungserklärung im Vorgriff auf das Urlaubsjahr abgeben.

2. Die Erklärung muss so eindeutig sein, dass der Arbeitnehmer erkennen kann, ob der Anspruch auf den gekürzten Vollurlaub oder jener auf den Vollurlaub erfüllt werden soll. Zweifel gehen zu Lasten des Erklärenden (Arbeitgeber).

Hinweis:

Die Entscheidung setzt sich mit der Frage der Freistellungserklärung des Arbeitgebers bei der das Urlaubsjahr übergreifenden Gewährung von Erholungsurlaub auseinander. Dabei wird die Auslegung der Freistellungserklärung an den konkreten Umständen des Einzelfalles orientiert vorgenommen, d.h. bei einer Freistellung in Zusammenhang mit dem Ausspruch einer (fristgerechten) ordentlichen Kündigung "unter Anrechnung auf   den Urlaubsanspruch".

Daneben werden die wesentlichen Grundsätze bei der Freistellungserklärung und der Erfüllung des Urlaubsanspruchs seitens des Arbeitgebers hervorgehoben.

Anmerkungen zum Urteil (Grundsätze nach BUrlG, insbes. zu § 7BUrlG):

1. Der Urlaubswunsch des Arbeitnehmers (Zeitraum) ist grundsätzlich für den Arbeit- geber verbindlich. Er darf nur aus dringenden betrieblichen Gründen hiervon abweichen.

2. Dennoch bedarf es einer ausdrücklichen Erklärung des Arbeitgebers, dass er den Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht freistellt. Tut er dies nicht, hat der Arbeitnehmer      kein Recht zur Selbstbeurlaubung.

3. Verweigert der Arbeitgeber die Freistellung, so kann der Arbeitnehmer in dringenden Fällen bei dem zuständigen Arbeitsgericht Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stellen. Dies setzt voraus, dass der Arbeitnehmer seinen Anspruch rechtzeitig geltend gemacht hat  und ein wichtiger Grund vorliegt, bei dem eine zeitliche Verlegung des Urlaubs dem Arbeitnehmer nicht zumutbar ist. Der Arbeitnehmer ist für seine Angaben zum sog. Anordnungsanspruch und -grund voll darlegungspflichtig und trägt bei Bestreiten des Arbeitgbers die volle Beweislast !

4. Ausnahmsweise soll ein "Recht zur Selbstbeurlaubung" dann bestehen, wenn der Arbeitgber mit seiner Weigerung  treuwidrig gegenüber dem Arbeitnehmer handelt (hier ist äußerste Vorsicht geboten, weil die irrige Annahme eines solchen Verhaltens zur  auch außerordentlichen Kündigung seitens des Arbeitgebers berechtigen kann). Zu denken ist an Fälle in denen der Arbeitgeber ohne jeglichen, betrieblichen Anlass den Urlaubsanspruch (offensichtlich) zu vereiteln droht.

5. Ist dies nicht der Fall, muss der Arbeitnehmer seinen Urlaub verlegen und/oder bei Ablauf des Urlaubsjahres die Übertragung des Anspruchs auf das kommende Jahr abklären. In der Regel verfällt der (gesetzliche) Urlaubsanspruch mit Ablauf des 31.03.   des Folgejahres (Ausnahmen aufgrund Tarifvertrages, betrieblicher Übung, etc. möglich).

6. Nicht verfallen dürfen nach Rechtsprechung des EuGH, die auch von deutschen Arbeitsgerichten zu beachten ist, entgegen der Regelung in § 7 Abs. 3 BUrlG, Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers, die aufgrund einer Erkrankung nicht genommen und erfüllt werden konnten. Diese sind auch über die Höchstgrenzen hinaus zu übertragen. Nicht hinreichend geklärt und Gegenstand eines Vorlageverfahrens des    LAG Hamm bei dem EuGH ist die Frage, ob das auch für mehrere Jahre (unbegrenzt)     zu gelten hat.

7. Oft wird vom Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Kündigung des Arbeitsverhält-nisses eine Freistellung unter "Anrechnung" auf den Urlaubsanspruch des Arbeitneh- mers erklärt. Rechtlich ist dies zulässig, sofern die Freistellung jedenfalls nicht zur "Unzeit" erfolgt. Ist der Arbeitnehmer in dieser Zeit erkrankt, ist die Freistellung unwirk- sam. Der Urlaub ist dann nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten, sofern er im  laufenden Arbeitsverhältnis infolge der (rechtswirksamen) Kündigung nicht mehr genommen werden kann. 

Bernd Neureither

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

23.11.2011